Viele Gebäude die nun mit Glasfaser angeschlossen werden, werden wohl noch keine Netzwerkleitung in den Wänden haben, und auch wird in den seltensten Fällen die Glasfaserleitung dort ins Haus kommen, wo das Telefon oder der DSL Router bisher steht.
Von daher gibt es hier ein Problem: Wie kommt das schnelle Glasfaser-Signal von der Garage, dem Keller oder einem anderen „Nebenraum“ an die Stelle wo das Telefon oder der Router steht?
Über Facebook hat die Firma Gigacopper sich bei uns in der Glasfaserinfo-Neckarbischofsheim-Gruppe mit einem interessanten Produkt bzw. Gerät gemeldet.
Dieses Gerät kann die bestehenden Telefon-Adern im Haus nutzen, um das Glasfaser-Signal an die Stelle zu leiten, wo bisher die Fritzbox, der Speedport oder irgend ein anderer DSL Router angeschlossen war. Dazu braucht es keine großen Umbauten am Haus, kein Schlitze klopfen oder Kabel ziehen.
Wie das geht und wie gut das funktioniert, beschreibe ich in den nächsten Absätzen möglichst ausführlich und für den Laien hoffentlich gut verständlich. An dieser Stelle ein dickes DANKE an den Testkandidaten der exemplarisch für euch hier das Versuchskaninchen gespielt hat und bei dem ich in einer realen und nicht unbedingt idealen Situation die Lösung testen konnte. Ebenfalls ein dickes Danke an die Firma Gigacopper, die uns diesen Test erst ermöglicht hat.
Aber von vorne. Wie geht das nun?
Schritt 1: Finde den APL
Finde die Stelle an der das Telekom-Telefonkabel „von draußen“ mit dem Telefonkabel, das im Haus verlegt ist, verbunden ist. An dieser Stelle findet sich ein Kästchen das in etwa so aussieht und sich APL (Abkürzung für: Abschlusspunkt Linientechnik) nennt:
Von unten kommt meist mit einem dicken, sehr starren schwarzen Kabel die Telekom-Leitung ins Haus, bzw. ans Haus. Der APL muss nicht unbedingt im Haus sein, er kann auch draußen an der Hauswand sitzen.
Das „andere“ Kabel, das meist recht dünn und grau ist (gibt aber auch teils grün oder in einer anderen Farben wie z.B. auf dem zweiten Bild mit dem neueren APL), ist die Leitung, die weiter ins Haus führt, bis zu der Stelle wo das Telefon oder die Fritbox angeschlossen ist.
2. Schritt: Finde die Telefondose
Die eben besagte „dünnere“ Leitung, oftmals in grauer Ummantelung, verschwindet meist in APL Nähe in der Wand und kommt mehr oder weniger da wieder zum Vorschein kommt, wo das Telefon oder der DSL-Router (Fritzbox, Speedport, …) angeschlossen ist. In den meisten Fällen wird das Kabel aber nicht selbst wieder sichtbar sein, sondern von einer „Unterputz-Telefondose“ entweder verdeckt, oder es kommt wieder aus der Wand und geht in eine „Aufputz-Telefondose“:
In einer solchen Dose wird das Kabel stecken das zum Telefon (falls man noch gar keinen DSL Router und Internet besitzt) oder zum DSL-Router geht.
Damit haben wir die zwei Stellen gefunden an die die Geräte von Gigacopper angeschlossen werden müssen.
3. Schritt: Geräte auspacken und anschließen
Die Geräte kommen in zwei identisch aussehenden Kartons. Wenn man aber genauer auf den Aufkleber schaut, steht da auf dem oberen Aufkleber „Client“ und auf dem unteren „Master“. Es empfiehlt sich, das „Master“ Gerät an die APL Stelle, und das „Client“ Gerät an die Telefondose anzuschließen.
Zuerst also die APL Stelle:
Ein Wort vorweg:
Einzig Techniker der Telekom oder Unternehmen die durch die Telekom berechtigt sind dürfen diesen öffnen und daran arbeiten.
Info zu APL aus dem Internet
Das heißt, ihr solltet schauen, dass ihr jemanden habt, der weiß was er da macht und das auch darf. Im Zweifel setzt euch mit ABICOS in Verbindung, die kennen sich bzgl. der Installation der Gigacopper-Geräte auch aus.
Bei meinem Testkandidaten war ein alter APL installiert. Schraubt man den auf, sieht das so aus:
Hier liegen 2 Telefonanschlüsse drauf. Die oberen zwei Adern (2a+b) sowie die unteren zwei (3a+b). Ist nur ein Telefonanschluss im Haus, sind sicherlich nur 2 Andern angeschraubt. In unserem Testkandidaten-Fall waren es die unteren 2 Adern.
Diese müssen gelöst und über einen Adapter mit dem Gerät verbunden werden:
Für den Testaufbau haben wir die Adern weder verlängert noch alles „schön“ montiert. War ja nur ein Testaufbau.
Auf der anderen Seite der Leitung (also an der Telefondose) hatten wir zu dem Zeitpunkt schon den vorhandenen Fritzbox-Stecker abgezogen.
Nun kommen die Geräte ins Spiel. Diese sehen jeweils so aus:
Also Western-Stecker-Adapter einstecken in die „LINE“ Buchse und das Netzteil bei „12V / 1A“ anschließen:
Auf der anderen Seite der Leitung geht das ganze noch einfacher. Hier gibt es ein fertiges Kabel das auf der einen Seite in die Telefondose passt und auf der anderen Seite in die „LINE“-Buchse des zweiten Geräts. Auch hier Strom anschließen und es sieht so aus:
Anfangs dauert es einen Moment bis die Lampe bei „LINE“ vorne dauerhaft grün leuchtet. Aber sobald das dann der Fall ist, steht die Verbindung.
Okay, soweit so gut. Und jetzt? Ganz einfach. Da wo der APL sitzt sollte mit dem Ausbau der Glasfaserleitungen auch der sogenannte ONT sitzen. Dieser wird von der Firma BBV bzw. ABICOS (die machen das für die BBV) installiert. ONT ist der optische Netzwerk Abschlusspunkt. ONT und Gigacopper Gerät werden über diese Buchse …
… mit einem handelsüblichen Netzwerkkabel verbunden. Fertig ist die eine Seite.
Und auf der anderen? Das gleiche in Grün: Netzwerkkabel zwischen dem zweiten Gerät und dem Router. Fertig. Man muss dann nur noch dem Router bei bringen sich über das Netzwerkkabel statt über das bisherige Telefonkabel zu verbinden. Seitens BBV gibt es hierzu eine Anleitung. In unserem Test-Fall spielt das an dieser Stelle keine Rolle.
Und das Testergebnis?
Bevor wir zum Testergebnis kommen hier noch ein paar Eindrücke der Verkabelung der oben genannten Telefonleitung im Haus. Früher gab es hier mal eine Telefonanlage mit mehreren Telefonen. Und mittlerweile gibt es auch einen Anbau am Haus. Das hat dazu geführt, dass das Kabel nicht auf direktem Weg vom APL zur Telefondose kommt, sondern über Umwege über weitere Klemmstellen und Verbindungen. Umwege sind für gewöhnlich nicht gut, und man könnte meinen, das beeinflusse die Qualität oder Geschwindigkeit der Verbindung. Aber gut, hier erstmal ein paar Bilder von den Verbindungsstellen:
Genug mit langweiligen Kabelbildern. Was kann dieses Setup nun wirklich?
Bevor wir zum Ergebnis kommen, möchte ich noch einmal auf die Geschwindigkeit der BBV Tarife eingehen. BBV wird als kleinsten Tarif je 300Mbit für den Upload und Download bereitstellen. Keine „bis zu“, sondern tatsächlich 300. Bei meinem Testkandidaten in Helmhof liefert die bisher bestehende DSL Verbindung spärliche 3,5Mbit. Und das ist tatsächlich auch schon das Limit des DSLAMs, also der DSL-Vermittlungsstelle an der er angeschlossen ist. Mit dem kleinsten BBV Tarif bekommt er dann 85x mehr Geschwindigkeit. Mit dem größten etwa 285x mehr!
Das heißt aber auch: Vom APL in seiner Garage bis zur Fritzbox in seinem Büro, müsste die Telefon-Leitung dann auch mindestens 300Mbit hergeben, so dass er die von BBV angebotene Geschwindigkeit voll nutzen kann. Sonst wäre er langsamer unterwegs als es BBV eigentlich ermöglicht.
Da wir noch keinen Glasfaseranschluss hatten, haben wir die Strecke von der Garage bis ins Büro mit zwei Laptops und einem in der IT Welt bekannten und im Server-Umfeld viel genutzten Testprogramm getestet: iPerf3.
Beide Laptops boten eine Gigabt-Ethernet-Schnittstelle. Also 1000Mbit maximaler Durchsatz.
Hier das Video des Testdurchlaufs:
Wir sehen im Video, dass das Tool zehn Einzeltests macht und dann am Ende anzeigt wie der Durchsatz im Schnitt war. Und wo landen wir? Bei sage und schreibe 940Mbit! Damit kratzen wir sehr stark am physikalischen Limit der Gigabit-Ethernet Anschlüsse der Geräte.
Und das bedeutet jetzt was? Ganz einfach: Trotz nicht optimaler Verkabelung und vielen Metern Kabelstrecke (geschätzt etwa 55m), bekommen wir 3x mehr Geschwindigkeit zwischen Büro und künftigem Glasfaseranschluss zustande, als BBV im kleinsten Tarif anbietet.
Selbst wenn die 300Mbit die nächsten Jahre nicht reichen sollten, so kann er bei BBV auch in den höchsten Tarif mit 1000Mbit wechseln. Und das ohne wirklich große Geschwindigkeitsverluste in Kauf zu nehmen: 1000Mbit Glasfaser vs. 940Mbit die dann tatsächlich an der Fritzbox ankommen.
Lange Rede kurzer Sinn: Ich behaupte diese Art der Wiederverwendung der bestehenden Telefonkabel im Haus für die Glasfaserverbindung reicht die nächsten 10 Jahre aus und liegt mit etwa 230€ Anschaffungspreis für die Geräte zzgl. Installation im absolut erträglichem Rahmen. Die Installation dauerte in unserem Fall etwa 45min inkl. nochmaliger Durchsicht der bestehenden Verkabelung und Anschluss der Geräte. Als Werkzeug hat hier der eine oder andere Schraubendreher völlig ausgereicht. Das ist schneller, günstiger und vor allem weniger Staub und Dreck als im ganzen Haus neue Kabel zu verlegen.
Wer aber eine recht kurze Strecke hat und für den es möglich ist mit wenig Aufwand hier ein State-of-the-Art Netzwerkkabel (CAT 7) zu verlegen, dem rate ich zum Netzwerkkabel. Das hat dann nochmal mehr Kapazität (bis locker 10.000Mbit) und ist noch etwas zukunftssicherer.
Nichts desto trotz: Ich kann die Gigacopper-Lösung ohne bedenken empfehlen.
Wenn dich die Lösung interessiert, kannst du dich u.a. bei der Firma ABICOS melden. Die kennen sich mit den Geräten ebenfalls gut aus und haben auch eine Lösung für Mehrfamilienhäuser in der Pipeline.
Disclaimer: Das Gerät wurde uns von Gigacopper kostenlos für diesen Test zur Verfügung gestellt. Es gab keinerlei Vorgabe die der Test auszusehen hat, bzw,. wie das Testergebnis zu darzustellen ist. Dieser Artikel ist 100% Meinung und keine gekaufte Werbung. Ich, bzw. der Testkandidat wurden für diesen Test nicht bezahlt.
P.S. Für die Verschwörungstheoretiker und diejenigen die jetzt meinen sie können beim Telekom-Kupfer bleiben, weil die Gigacopper Geräte können ja auch locker 1000Mbit, deshalb bräuchte es kein Glasfaser: Die Gigacopper-Geräte können diese hohen Geschwindigkeiten auf relativ kurzen Strecken von etwas bis zu 70m. Vom Haus bis zur Telekom Vermittlungsstelle sind es nicht selten einige hundert bis vielleicht 2-5km Leitung. Die Telekom kratz mit ihrem Super-Vectoring mit 250Mbit am Limit. Und das klappt dann auch nur, wenn die Vermittlungsstelle nur wenige hundert Kabel-Meter entfernt ist. Kurz gesagt: Kupfer auf dem allerletzten Meter im Haus ist die nächsten 5-10 Jahre durchaus okay. In der Straße ist es heute schon am Limit.